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Mit Weiterbildung zu mehr Kompetenz

Kompetent ist jemand, der in der Lage ist, etwas Wertvolles zu tun. Das gilt sowohl auf der individuellen als auch auf der kollektiven Ebene. Organisationen haben es freilich mit zusätzlichen Bedingungen zu tun, etwa der instabilen Zusammensetzung ihrer Mitglieder angesichts natürlicher Fluktuation oder aufgrund von Größenveränderungen.

Schon Johann Heinrich Pestalozzi hat das Phänomen in seinem Credo von „Kopf, Herz und Hand“ zur Rolle der Pädagogik für die ganzheitliche Kompetenzentwicklung beim Kind bemerkenswert klar gefasst. Um zu etwas in der Lage zu sein, muss man Ressourcen haben, und eine zentrale Ressource ist und war schon immer das Wissen. Das symbolisiert der „Kopf“. Gefühl oder Intuition dagegen legen einem womöglich etwas nahe, das eine hohe Wahrscheinlichkeit des Scheiterns in sich birgt. Doch Wissen ist nicht alles. Man muss es auch tun können („Hand“), also Aktivitäten zu Routinen entwickeln und nicht bloß Zufallstreffer landen. Schließlich muss die Fähigkeit für jemanden wertvoll sein, muss Nutzen stiften. Der Wertaspekt ist deshalb so wichtig, weil Kompetenz sonst ein rein interner Befund des Handelnden wird.

Ob jemand kompetent ist, bestimmt in erster Linie sein Umfeld. Daraus folgt sogleich, dass reine Wissensvermittlung in einer kompetenzorientierten Weiterbildung nicht genügt. Universitäten haben gerade hier oft einen angeborenen „blinden Fleck“. Denn die Wissenschaft ist ja stolz auf das, was sie herausgefunden hat, und entsprechend macht sich die in ihrer Nähe angesiedelte Weiterbildung häufig zur wichtigsten Aufgabe, dieses Wissen zu verbreiten. Doch der Schritt von „Know-what“ zum „Know-how“ geschieht nicht automatisch. Man kann natürlich am Ende eines Seminars empfehlen, das Gelernte umgehend im eigenen beruflichen Umfeld anzuwenden. Man kann den Teilnehmenden sogar Handlungsanweisungen mitgeben. Aber sie sind in diesem Stadium dann eben auch nur Wissen.

Aktivitäten ins Zentrum rücken

Darum ist es für Kompetenzentwicklung wichtig, auf Basis neuer Einsichten bald einmal Anwendungserfahrung zu machen. Das weist auf den zweiten Aspekt von Kompetenz hin, also die Aktivitäten („tun können“). Kompetenzentwicklung durch Tun geschieht, wenn man ausprobiert, ob und wie es funktioniert. Das wiederum erzeugt zusätzliches Wissen, nämlich solches für den Aufbau von Routinen. Wir sagen dann „Learning by Doing“, und das am besten noch zugeschnitten auf die eigenen, praktischen Möglichkeiten und Grenzen. Diese Kontextualisierung von verallgemeinertem Wissen ist ein zentraler Schritt beim Aufbau von Kompetenz. Damit sollte man, so unsere Erfahrung, in der Weiterbildung früher und systematischer beginnen, als es im Allgemeinen der Fall ist.

Kompetent ist jemand, der in der Lage ist, etwas Wertvolles zu tun. Das gilt sowohl auf der individuellen als auch auf der kollektiven Ebene. Organisationen haben es freilich mit zusätzlichen Bedingungen zu tun, etwa der instabilen Zusammensetzung ihrer Mitglieder angesichts natürlicher Fluktuation oder aufgrund von Größenveränderungen.

Im Klassenraum kommen wir hier in den Bereich des Aktions- bzw. Erfahrungslernens („Experiential Learning“). Das beginnt etwa damit, dass Fallstudien eingesetzt werden, die die Teilnehmenden bearbeiten und auf deren Lösung sie eine Rückmeldung erhalten. Noch ausgeprägter ist der Effekt bei (Outdoor‑)Übungen, wie sie etwa im Leadership-Training häufig vorkommen, oder bei Unternehmensplanspielen. Sie bieten einerseits die Möglichkeit, die Komplexität stufenweise anzuheben, und offenbaren andererseits die mit der Entscheidungsfindung und -umsetzung verbundene, soziale Dynamik.

Doch wie man es auch dreht und wendet: Der individuelle Kontext, also das eigene Arbeitsumfeld, wird in solchen Übungsanlagen immer noch nicht ausreichend abgebildet. Ein Weg hierzu sind durch fachliches Coaching begleitete Projekte, in denen das Gelernte umgesetzt wird. Dort kommt es nicht zuletzt zu einer Engführung der Aktivitäten und des Wissens mit der Werthaftigkeit und dem Nutzen, der dem Projektergebnis durch Vorgesetzte, Kollegen und Mitarbeitende beigemessen wird. Am Ende ist es die Integration von Erfahrungslernen und Transfer, die am besten wirkt.

Werthaftigkeit

Schließlich gilt es, die einer Kompetenz innewohnende Vorstellung zu adressieren, etwas Wertvolles abliefern zu wollen. Auch hier gibt es Wechselwirkungen zum Wissen bzw. den Ressourcen sowie zu den Aktivitäten. Zentral ist, wie man die zu erfüllende Aufgabe wahrnimmt, d.h. wie man sich so für einen Leistungsauftrag sensibilisiert bzw. diesen antizipiert. Das hat wiederum Rückwirkungen auf das, was man wissen sollte bzw. lernt, und auf das, was man an Aktivitäten entfaltet und auf Effizienz trimmt – einschließlich der Aktivitäten der Sensibilisierung selbst. Erstens wird damit die Verbindung zum Umfeld ein unabwendbarer Teil der Kompetenzentwicklung. Entsprechende Sensibilisierung soll vermeiden, dass z.B. von quasi-kompetenten Innovatoren elektronische Mausefallen hergestellt werden, die gar niemand haben will. Und zweitens kann damit an die gesellschaftlichen Werte angeschlossen werden.

Im Management wird Wertsteigerung heute in aller Regel als Komplex von ökonomischer, ökologischer und sozialer Mehrung (sog. „Tripple Bottom Line“) verstanden, bzw. es ist von „Shared Value“ die Rede – also von Maßnahmen, die gleichzeitig eine soziale und/oder ökologische Verbesserung bewirken und die Profitabilität der Firma steigern. Darüber hinaus lässt sich die gesellschaftliche Wertorientierung durch stärkeren Einbezug und aktive Erörterung von ethischen Betrachtungsweisen fördern. Auch hier geht es natürlich am Ende darum, es „tun zu können“. Doch schon vorher sollte man sich angesichts ökologischer und sozialer Fehlentwicklungen wieder stärker erinnern, dass Pestalozzi bei „Herz“ vor allem auf sittsames Gebaren abstellte.


Zur Person

Dr. Jürgen Spickers leitet seit 1999 die Management-Weiterbildung am Institut für Betriebswirtschaft der Universität St.Gallen. Er ist Mitglied der Academy of Management, der Strategic Management Society und des Verbands der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft. Das Institut ist auf strategisches Management fokussiert und war Geburtsstätte des St. Galler Management-Modells. www.unisg.ch

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