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Quo vadis, Eigenkapital?

Als Innovationsmotoren und Exportchampions sind Mittelstandsunternehmen unschlagbar. Doch kostet Innovation viel Geld. Deshalb brauchen innovative und wachstumsstarke Unternehmen  eine adäquate Finanzierungsstruktur und Eigenkapitalausstattung. Die Wege dorthin sind vielfältig. 

Aufgrund der oft engen Verzahnung von Eigentümern und Management sind mittelständische Unternehmen auf eine stabile und langfristige Wertentwicklung ausgerichtet. Zugleich müssen sie mit ständigen Innovationen dafür sorgen, dass sie die Nase immer ein wenig vorn haben. Ansonsten wird es schwer, im globalen Wettbewerb langfristig zu bestehen. Gerade innovations- und wachstumsorientierte Unternehmen haben in der Regel Eigenkapitalquoten, die deutlich über dem Durchschnitt liegen.

Abwägung strategischer Optionen

Häufig sind jedoch die Möglichkeiten der Aufstockung des Eigenkapitals im bestehenden Gesellschafterkreis oder durch Gewinnthesaurierung begrenzt oder gar erschöpft. In einem solchen Fall kommt die Eigenkapitalfinanzierung durch externe Eigenkapitalgeber in Frage. Grundsätzlich stehen hier drei Investorenkategorien zur Verfügung: Strategische Investoren, also Unternehmen, die sich im Rahmen von M&A-Prozessen beteiligen und operativ Einfluss nehmen bzw. Synergien heben wollen. Eine weitere Gruppe sind die primär finanziell motivierten Investoren wie Private-Equity-Gesellschaften, die über Minderheits- oder Mehrheitsbeteiligungen investieren. Und schließlich gibt es die institutionellen Investoren am organisierten Kapitalmarkt, die bei einem Börsengang – kurz IPO für Initial Public Offering – und in der Zeit danach frisches Kapital zur Verfügung stellen.

Jede dieser Optionen hat ihre Vor- und Nachteile. Ein Patentrezept für den idealen Finanzierungsweg gibt es nicht. Deshalb werden die Optionen im Gesellschafterkreis strategisch und unternehmensindividuell mit den Zielsetzungen der Eigentümer und des Unternehmens abgeglichen. Neben strategischen Überlegungen werden Optionen anhand folgender Kriterien bewertet:

Fenster für Börsengänge derzeit offen

Das Umfeld für Börsengänge ist derzeit weltweit gut. Hohe Indexstände bzw. Bewertungsniveaus und geringe Aktienmarktvolatilität fördern die Attraktivität für Unternehmen und Portfoliounternehmen von Private-Equity-Gesellschaften, an die Börse zu gehen. So startete das erste Halbjahr in Europa mit 202 IPOs und einem Emissionsvolumen von 46 Mrd. USD, der bisherige Höchststand seit der Finanzkrise.Auch Beteiligungsgesellschaften stehen am Ende der Investitionsperiode als Eigentümer vor der Frage nach dem richtigen Desinvestitions- bzw. Exitweg. In Europa hat die Attraktivität des Börsengangs als Exitweg für Private Equity  über die letzten Jahre deutlich zugenommen. Derzeit sind 18 Prozent der Exits Börsengange – ein Rekordstand insbesondere bei größeren Transaktionen (2 Prozent). Das ist auch ein gutes Indiz für einen möglichen Exitweg bei Unternehmen, die bereits Private Equity beteiligt haben.

Gute Gründe für den Börsengang

Ist der Börsengang der richtige nächste Schritt? Warum geht man an die Börse? Beide Antworten sind fundamentale Aspekte nicht nur für Eigentümer, sondern auch für den Erfolg des Börsengangs. Viele Mittelstandsunternehmen haben die Börse bereits für sich als Weg zur Optimierung ihrer Kapitalstruktur entdeckt und auf diese Weise ihren strategischen Spielraum erweitert. Denn der Börsengang stellt Unternehmen auf eine breite Kapitalbasis. Und das hat immense Vorteile: Börsennotierte Unternehmen wachsen in der Regel schneller, sie können im internationalen Wettbewerb besser bestehen und reagieren stabiler auf konjunkturelle Schwankungen. Für einen
Börsengang gibt es viele weitere gute Gründe: Finanzierung von Akquisitionen, Möglichkeit der Mitarbeiterbeteiligung, Verbesserung des Bekanntheitsgrads, Regelung der Unternehmensnachfolge oder die Möglichkeit der Vermögensdiversifikation.

Rechtzeitige Vorbereitung ist das A und O

Andererseits bedeutet ein Börsengang immer einen Schritt in die Kapitalmarktöffentlichkeit, der gut durchdacht und geplant sein will. Durch die Börsennotierung ändert sich das Umfeld des Unternehmens grundlegend. Der Transformationsprozess in ein börsenfähiges Unternehmen umfasst viele Bereiche: das Management und die Mitarbeiter, die Prozesse und die Informationskultur. Aber auch die Planung des Geschäfts und die Organisation im Unternehmen müssen meist verändert werden, um die Kapitalmarktfähigkeit zu erreichen. Dies gilt nicht nur für die Projektphase des Börsengangs, sondern – auch langfristig – für die Zeit danach. Daher ist es wichtig, eine entsprechende Infrastruktur im Unternehmen zu schaffen und für den Regelbetrieb am Kapitalmarkt einzurichten.

Fazit

Die Finanzierungsoption Börsengang passt nicht zu jedem Unternehmen. Der Aufwand ist in personeller, zeitlicher und finanzieller Hinsicht hoch. Ungenügende Vorbereitung und schlechtes Timing können das Projekt gefährden. Daher ist die sorgfältige Prüfung, ob überhaupt die Kapitalmarktfinanzierung sinnvoll ist, der erste Schritt. Hier empfiehlt sich ein ganzheitliches IPO Readiness Assessment, das erfahrene Experten durchführen sollten.


Zur Person

Martin Steinbach ist seit 2011 Head of IPO and Listing Services bei dem Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen EY. Seit mehr als 20 Jahren ist er im Bereich Corporate Finance tätig und hatte verschiedene Führungspositionen im Investment Banking, Private Equity, der IT Industrie und einer Börsenorganisation inne. www.ey.com

 

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