„Wir sind schon ein spezielles Völkchen“

Kommunikation unter Geschäftsleuten: Im Ausland werden Geschäfte oft anders abgeschlossen als hierzulande.
Kommunikation unter Geschäftsleuten: Im Ausland werden Geschäfte oft anders abgeschlossen als hierzulande.

Alexander Reeb bereitet Unternehmen vor ihrer Expansion auf kulturelle Unterschiede im Ausland vor. Im Interview erklärt er, warum die deutsche Mentalität etwas Seltenes ist und wie man unterschiedliche Wertvorstellungen meistern kann.

  1. Unternehmeredition: Herr Reeb, welche Einstellung sollten Unternehmer grundsätzlich mitbringen, um im Ausland und damit einem anderen kulturellen Umfeld erfolgreich sein zu können?

Alexander Reeb: Erst mal sollte man sich Folgendes vor Augen führen: Es wird anders laufen als geplant, länger dauern als gedacht, und es wird auch Rückschläge geben. Im Optimalfall bringt man die eigenen Auslandserfahrungen in den deutschen Standort mit ein. Denn dort arbeiten ja auch oft Menschen aus anderen Kulturen. Das wird noch zu selten bedacht.

  1. Gibt es eine Faustregel, wie lange es dauert, im Ausland anzukommen beziehungsweise diese interkulturelle Unternehmenskultur zu etablieren?

Das Mittel liegt bei zwei bis drei Jahren. Es spielt sicherlich eine Rolle, wie stark der Unterschied zwischen den Kulturkreisen ist, vor allem in Bezug auf die Führung und die eigene Wertehaltung. Daneben ist auch die Vorbereitung ein Faktor. Und natürlich sind die handelnden Akteure vor Ort ganz ganz wichtig, also wen man entsendet – ob eine Einzelperson oder ein ganzes Team.

  1. Welche Funktion haben Sie dabei?

Da geht es um die Vorbereitung, also das Bewusstsein der eigenen kulturellen Prägung und den Vergleich mit anderen Kulturen. Wir sind in Deutschland ja auch schon so ein spezielles Völkchen, das ist so nicht der Standard weltweit. Da versuchen wir, das in einem Land angemessen zu übersetzen, ohne das Eigene zu unterdrücken.

  1. Was war denn bislang der schwierigste Fall?

Es gibt sicherlich eine ganze Menge schwierige Fälle. Die meisten betreffen kleinere Unternehmen. Wir hatten zum Beispiel eine Softwarefirma, die nach China gehen wollte, um dort eine Dependance zu gründen. Die Vorbereitung war zu spät und verlief zäh. Die Leute, die entsendet wurden, hatten eigentlich keine Lust.

  1. Und in welchem Fall ist es dann im Ausland komplett schiefgelaufen?

Gefühlt gibt es davon hunderttausend. Wir Deutsche kommunizieren sehr direkt, bei nonverbalen Zeichen tun wir uns dagegen schwer. Bei einer Geschichte war ein Service-Mitarbeiter nach Malaysia geflogen. Vor Ort gab es ein Abendessen. Der CEO hat erst mal die Firma präsentiert, die Mitarbeiter gelobt. Der Deutsche griff ungeduldig ein und leitete zum eigenen Produkt über. Die Malaien lächelten nur noch, der Deutsche dachte, der Verkauf sei in trockenen Tüchern. Danach hat er nichts mehr von den Malaien gehört.

  1. Inwieweit kann und sollte man gesellschaftlichen Normen treu bleiben, also Handlungen ablehnen, die hierzulande verpönt oder strafbar sind?

Da gibt es nur einen individuellen Weg. Man sollte nachgeben, gleichzeitig aber die eigene Identität bewahren. In Deutschland sind wir es gewohnt, dass der Staat vieles bereitstellt, in anderen Ländern sind dafür Netzwerke da. Ist das schon Korruption? Es gibt viele Graubereiche.

  1. Und wie sieht es mit liberalen Werten aus, zum Beispiel damit, dass eine Frau auch Chef sein kann?

Auch da gibt es nicht nur Schwarz oder Weiß. Wir hatten diesen Fall zum Beispiel beim Bundesgrenzschutz. Wenn die Frau in die Arabischen Emirate reiste, war ein männlicher Kollege dabei, der die Verhandlungen führte – die Frau blieb aber die Chefin. Oft ist das auch eine Frage des Rollenverständnisses. Es gibt ein taiwanesisches Sprichwort: Der Mann ist der Kopf und die Frau ist der Hals. Aber der Hals dreht den Kopf.


Kurzprofil Alexander Reeb

Geboren: 1972 in Kassel

Beruf: interkultureller Trainer; Geschäftsführer von IKUD® Seminare

Hobbys: Musik, Sport, Meditation und Yoga

Größte Erfolge: Etablierung einer interkulturellen Trainerausbildung, drei Minuten Kopfstand am Stück, Erziehung zweier kleiner Jungs von eineinhalb und vier Jahren

www.ikud-seminare.de

 

 

Autorenprofil

Als Redakteur bei der Unternehmeredition leitet Volker Haaß die Online-Aktivitäten sowie die Sonderpublikationen der Plattform. Dazu gehört unter anderem die FuS – Zeitschrift für Familienunternehmen und Strategie.

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