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Unternehmensinsolvenzen sinken – die Schäden steigen

Unternehmensinsolvenzen

(c) Romolo Tavani

Quasi paradox verläuft die Entwicklung bei den Insolvenzen seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Trotz des tiefen Einbruchs der deutschen Wirtschaft war die Zahl der Unternehmensinsolvenzen 2020 auf ein Allzeittief seit der Einführung der Insolvenzordnung (InsO) im Jahr 1999 gefallen. Gleichzeitig stieg aber die Zahl der Insolvenzen von großen Unternehmen und zugleich auch die Höhe der Schäden.

Hintergrund für den rückläufigen Trend der Gesamtzahlen dürften die umfangreichen staatlichen Hilfsmaßnahmen, die zeitweise Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und das Kurzarbeitergeld sein. Die Unternehmen stellten zwischen März und Dezember 2020 Anträge für Kredite, Bürgschaften, Kurzarbeitergeld sowie Zuschüsse in einer Höhe von rund 118 Milliarden EUR. Davon wurden laut dem Bundeswirtschaftsministerium und der Agentur für Arbeit bis Ende Januar 2021 über 101 Mrd. EUR ausgezahlt. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der Insolvenzverfahren in den Umsatzgrößenklassen 5,0 bis 25,0 Mio. EUR um mehr als 26%. Bei Unternehmen in der Größe von 25,0 bis 50,0 Mio. EUR stieg die Zahl nach Angaben der Creditreform um 36%. Eine Verdopplung der Fallzahlen war bei Unternehmen mit mehr als 50,0 Mio. EUR Jahresumsatz zu verzeichnen. Trotz dieser Entwicklungen sind Kleinst- und Kleinunternehmen weiterhin am stärksten bei den Insolvenzen vertreten. In acht von zehn insolventen Unternehmen des Jahres 2020 waren höchstens fünf Personen beschäftigt.

25.000 Unternehmen künstlich am Leben erhalten

Creditreform und ZEW haben in einer gemeinsamen Studie aufgezeigt, dass die umfangreichen finanziellen Unterstützungen in der Corona-Pandemie schon jetzt zu einem hohen Rückstau bei den Insolvenzen geführt haben. Die staatlichen Hilfen hätten in vielen Fällen Unternehmen begünstigt, die auch ohne den Lockdown in eine existenzielle Krise geraten wären. Laut der Studie habe sich auf diese Weise sich ein Rückstau von etwa 25.000 überwiegend kleinen Betrieben gebildet, die eigentlich Insolvenz anmelden müssten. Zu diesem Ergebnis kommen der Verband der Vereine Creditreform und das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in einer gemeinsamen Untersuchung.

„Die undifferenzierte Verteilung der Hilfsgelder und die fehlenden Öffnungsperspektiven werden in Verbindung mit dem andauernden Insolvenzmoratorium ab der zweiten Jahreshälfte 2021 einen signifikanten Anstieg der Unternehmensinsolvenzen zur Folge haben“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter Wirtschaftsforschung beim Verband der Vereine Creditreform Creditreform. Grundlage der Studie waren die Bonitätsdaten von etwa 1,5 Millionen Unternehmen. Die Studien-Autoren haben Zahlungsfähigkeit und Kreditwürdigkeit im Vorkrisenzeitraum Juli 2017 bis Dezember 2019 mit dem Corona-Krisenzeitraum April 2020 bis einschließlich Juli 2020 verglichen. „Dabei zeigte sich, dass insbesondere kleine, finanziell schwache Unternehmen, die unter normalen wirtschaftlichen Umständen mit hoher Wahrscheinlichkeit in die Insolvenz gegangen wären, ohne Perspektive auf eine erfolgreiche Sanierung durch staatliche Hilfen am Leben gehalten wurden“, sagt Dr. Simona Murmann vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).

Euler Hermes erwartet niedrigen Anstieg der Insolvenzen

„Es ist paradox: Trotz einer der größten Wirtschaftskrisen sind Insolvenzen in Deutschland im vergangenen Jahr mit rund -15% deutlich auf einen neuen Niedrigstand gesunken“, sagt Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Das zeigt, wie stark die Insolvenzentwicklung von der tatsächlichen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und dem aktuellen Zustand der Unternehmen entkoppelt ist.“ Die Insolvenzentwicklung sei derzeit nicht von Marktmechanismen, sondern von der weiteren Entwicklung und dem Fortbestand von Unterstützungsmaßnahmen abhängig. Ausgehend von den aktuellen Rahmenbedingungen prognostiziert der Kreditversicherer in seiner aktuellen Analyse zwar einen Zuwachs der Insolvenzen in Deutschland im Jahr 2021 um 6%, allerdings erst ab dem zweiten Halbjahr und von sehr niedrigem Niveau kommend. Erst im Laufe von 2022 dürften die Pleiten nach Schätzungen von Euler Hermes um rund 15% zunehmen. Die Fallzahlen 2022 dürften dann jedoch nur etwa 4% höher liegen als 2019, vor der Pandemie.

Crifbürgel rechnet mit 16.500 zusätzlichen Insolvenzen

Das Auskunftsunternehmen CRIFBÜRGEL hat in einem Modell den möglichen Rückstau an Firmeninsolvenzen berechnet. „Laut unseren Modellberechnungen besteht die Welle derzeit aus circa 16.500 zusätzlichen Insolvenzen. Betroffen sind vor allem Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern“, sagt Geschäftsführer Dr. Frank Schlein. Unter der Voraussetzung, dass die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht im vollen Umfang aufgehoben wird, sein dann insgesamt 35.500 Firmeninsolvenzen in Deutschland möglich. Die Zahl könnte aber noch steigen, wenn sich die Pandemie noch länger fortsetzt und die Politik gezwungen wäre, die Antragspflicht auch über den 30.04.2021 hinaus auszusetzen.

ifo: Gegenmaßnahmen bremsen Pleitewelle

Nach Schätzungen des ifo Instituts ist eine Corona-Pleitewelle derzeit in Deutschland noch nicht in Sicht. Sie sei durch die Aussetzung der Pflicht zur Anmeldung einer Insolvenz und die Liquiditätshilfen des Bundes und der Länder verhindert worden. „Als Folge des Einbruchs bei den Unternehmensgewinnen im vergangenen Jahr hätten eigentlich Forderungen in Höhe von fast 120 Milliarden Euro ausfallen müssen“, sagt ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. „Durch die Liquiditätshilfen konnte die zu erwartende Ausfallsumme auf etwa 60 Milliarden Euro halbiert werden.“ Bis Ende Oktober hätten Gläubiger bei den Gerichten Forderungen im Umfang von 44,5 Milliarden Euro angemeldet. Das schließe auch die 12,5 Milliarden Euro ein, die beim Wirecard-Skandal angemeldet wurden.

Durch die Sofort- und Überbrückungshilfen des Bundes und der Länder sei ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung des Produktionspotenzials geleistet haben. Die bevorstehende Insolvenzwelle dürfte damit spürbar abgeflacht und die konjunkturelle Erholung nach Ende des Shutdowns beschleunigt werden.

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