Website-Icon Unternehmeredition.de

Trend zur früheren Sanierung setzt sich fort

Die EU-Kommission hat jüngst ihren Richtlinienvorschlag über ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren vorgestellt. Wird dieser Gesetz, können sich Unternehmen bereits im Vorfeld einer Insolvenz effizient sanieren.

Seit geraumer Zeit wird in Deutschland über einen vorinsolvenzlichen Sanierungs- und Restrukturierungsrahmen diskutiert. Der Gesetzgeber hatte hierauf im Zuge des „ESUG“ (Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) bereits mit der Einführung des Schutzschirmverfahrens reagiert. Unter dem Schirm eines gerichtlichen Vollstreckungsschutzes erlaubt es dem Schuldner, einen Sanierungsplan zu erarbeiten. Doch handelt es sich bei diesem Verfahren letztlich auch um ein Insolvenzverfahren mit den damit einhergehenden Nachteilen. Entsprechend ist der Ruf nach einem vorinsolvenzlichen Verfahren nie ganz abgeebbt. Die jüngsten europäischen Entwicklungen haben dieser Debatte neuen Schwung gegeben:

In einem Richtlinienvorschlag vom November 2016 hat sich die EU-Kommission nunmehr ebenfalls ein solches Verfahren auf die Fahne geschrieben.

Ziele des Richtlinienentwurfs

Ziel des Richtlinienentwurfs ist die Schaffung eines planbaren, kostengünstigen und gerichtsfesten Sanierungsverfahrens für Unternehmen, die im Kern gesund sind, aber deren Existenz durch hohe Schulden bedroht ist. Durch das Verfahren soll den Verantwortlichen in insolvenzbedrohten Unternehmen ein Anreiz gegeben werden, frühzeitig Restrukturierungsmaßnahmen in Angriff zu nehmen, indem solche Maßnahmen außerhalb eines förmlichen Insolvenzverfahrens ermöglicht werden. Das Stigma der Insolvenz, welches als häufiger Grund für die Nichtinanspruchnahme von förmlichen Insolvenzverfahren zu einem frühen Zeitpunkt angesehen wird, soll vermieden werden. Hierdurch sollen die Chancen auf den Erhalt von Unternehmen und Arbeitsplätzen deutlich erhöht werden. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen könnten hiervon profitieren.

Ablauf des Verfahrens

Sinn und Zweck des Verfahrens ist es, finanziell angeschlagenen Unternehmen zu ermöglichen, weitestgehend ungestört von Gläubigermaßnahmen einen Sanierungsplan zu entwickeln und so die Chancen der wirtschaftlichen Gesundung des Unternehmens zu erhöhen. Zu diesem Zweck kann zugunsten des zu sanierenden Unternehmens ein Vollstreckungsstopp und ein Schutz vor Insolvenzanträgen von Gläubigern durch das Gericht mit einer Regeldauer von bis zu vier Monaten angeordnet werden. Dies gilt im Hinblick auf sämtliche Gläubiger. Sollte sich während des Insolvenzverfahrens die Pflicht des Schuldners zur Stellung eines Insolvenzantrags ergeben, soll diese Verpflichtung während der Dauer des Verfahrens ruhen.

Im Rahmen des Sanierungsplans besteht für den sanierungswilligen Unternehmer die Möglichkeit, anders als im Insolvenzverfahren, lediglich einzelne Gläubigergruppen zu beteiligen. Er behält zudem die vollkommene Kontrolle über das Unternehmen. Durch das Gericht kann allenfalls ein Mediator bzw. ein Beauftragter bestellt werden, die zum einen die Aufgabe haben, den Schuldner bei seinen Verhandlungen zu unterstützen, und zum anderen die Wahrung der Gläubigerinteressen zu überwachen.

Legt der Schuldner am Ende des vorinsolvenzlichen Verfahrens einen Sanierungsplan vor, stimmen die von dem Plan betroffenen Gläubiger über diesen ab. Hierzu werden die Gläubiger in Gruppen eingeteilt. Die Zustimmung der Mehrheit der Gruppen reicht voraussichtlich für die Annahme des Plans aus.

Die EU-Kommission hat jüngst ihren Richtlinienvorschlag über ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren vorgestellt. Wird dieser Gesetz, können sich Unternehmen bereits im Vorfeld einer Insolvenz effizient sanieren.

Brauchen wir ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren?

Die deutsche Insolvenzordnung sieht mit dem Schutzschirmverfahren ein ähnlich geartetes Verfahren vor, welches ebenfalls der Sanierung von krisengebeutelten Unternehmen dienen soll. Auch in diesem Verfahren behält der Schuldner die Kontrolle über sein Unternehmen und kann die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen. Ebenso können Gläubiger, die anderer Meinung sind, überstimmt werden. Im internationalen Vergleich schneidet Deutschland deshalb, trotz Fehlens eines vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens, weit überdurchschnittlich ab. Trotz dieser erfreulichen Ausgangslage bietet der Richtlinienentwurf der EU-Kommission nicht von der Hand zu weisende Chancen und Potenziale im Vergleich zu den bestehenden Sanierungsmechanismen.

Hierdurch besteht nicht nur die Chance auf Restrukturierung des Unternehmens außerhalb eines förmlichen Insolvenzverfahrens. Vielmehr kann diese außergerichtliche Gläubigereinigung ohne die Zustimmung sämtlicher Gläubiger erreicht werden, wodurch der Trittbrettfahrer-Problematik vorgebeugt werden kann. Aktuell bedürfen außergerichtliche Vergleiche der Zustimmung sämtlicher betroffener Gläubiger. Einzelne Gläubiger sind deswegen in der Lage, durch Verweigerung eines Schuldenschnitts außergerichtliche Lösungen zu torpedieren, wodurch sich eine erhebliche Gefahr für die nachhaltigen Sanierungschancen des betroffenen Unternehmens ergibt. In der Vergangenheit wurde deswegen öfter die Lösung über ein englisches Scheme of Arrangement gesucht. Ein solches destruktives Verhalten wäre nach dem Richtlinienentwurf der Kommission künftig nicht mehr möglich. Entsprechend würde die außergerichtliche Sanierung zu einem realistisch gangbaren Weg für Unternehmen in der Krise und deren Gläubiger.

Wie geht es weiter?

Momentan liegt lediglich ein Richtlinienvorschlag seitens der Kommission vor, welcher in dieser Form noch nicht verbindlich ist. Sollten auf Grundlage des Vorschlags EU-Parlament und der Rat eine Richtlinie erlassen, wäre der deutsche Gesetzgeber gezwungen, die Vorgaben der Richtlinie umzusetzen. Sobald dies geschehen ist, hätten deutsche Unternehmen Zugang zu dem neuen vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren.

Fazit

Zwar hat Deutschland auch jetzt schon ein hervorragendes und sanierungsfreundliches Insolvenzrecht. Doch besteht nach wie vor Nachbesserungsbedarf. Denn erfolgreiche Sanierungen erfolgen bekanntlich früh, schnell und still – und damit bereits im Vorfeld der Insolvenz. Einer solchen vorinsolvenzlichen Sanierung würde mit der Umsetzung des von der EU-Kommission vorgeschlagenen Richtlinienentwurfs in deutsches Recht erheblich Vorschub geleistet.


Zur Person:

Dr. Uwe Goetker ist Rechtsanwalt und Partner bei McDermott Will & Emery Rechtsanwälte Steuerberater LLP in Düsseldorf. Goetker ist im Bereich Corporate/M&A tätig und unter anderem auf die Vorbereitung und Durchführung von Sanierungen/Restrukturierungen spezialisiert.

www.mwe.com

 

 

 

 

Die mobile Version verlassen