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Auf der Suche nach neuen Wegen

Viele deutsche Mittelständler und Familienunternehmen scheuen immer noch den Gang an den Kapitalmarkt. Das überrascht nicht, denn sie müssen dabei so manche Hürde nehmen. Nun soll das neue Börsensegment “Scale” für Aktien und Anleihen Abhilfe schaffen. Die Frage ist aber, ob das gelingen kann.

Neuer Markt ist nicht in Sicht

Mit seinen umfangreichen Zulassungsvoraussetzungen widerlegt das neue Börsensegment kritische Stimmen, die bereits vor dem Start eine Renaissance des Neuen Marktes gekommen sahen. „Dieser war ja auch dadurch gekennzeichnet, dass dort hauptsächlich junge Technologieunternehmen notiert waren“, erklärt Eric Leupold, Leiter Pre-IPO und Capital Market bei der Deutschen Börse. „Scale ist jedoch ein Segment für Firmen aller Branchen, die gerade im Zuge der Digitalisierung und der Industrie 4.0 Eigenkapital benötigen“, sagt er. Allein über Bankkredite seien solche Investitionen auch in Zeiten niedriger Zinsen oft nicht zu bewältigen.

„Das ist schon richtig“, erklärt Anwalt Alexander Thomas. Es sei auf jeden Fall zu begrüßen, dass die Deutsche Börse mit Scale ein neues Segment für Aktien und Anleihen von Mittelständlern geschaffen hat. Immerhin seien bislang viel zu wenig kleine und mittlere Unternehmen in der Lage, die Möglichkeiten des Kapitalmarktes zu nutzen. Die Frage sei aber, ob die Zugangskriterien sowie die Kosten für eine Notierung tatsächlich dazu beitragen können, ein Qualitätssegment zu schaffen, das gerade bei Privatanlegern Vertrauen erzeugt. Denn diese will Scale vorwiegend ansprechen.

Viele Unternehmen, die seit 2010 Anleihen in den verlockenden Mittelstandssegmenten begeben und mitsamt ihrer Anleger später Schiffbruch erlitten haben, wären trotz der vermeintlich strengen Kriterien bei Scale jetzt auch wieder dabei. „Andererseits haben manche Unternehmen mit einer gesunden Wachstumsstory, deren Aktien im Entry Standard gelistet waren, den Sprung in Scale nicht geschafft“, erklärt Thomas. Dafür seien die Einstiegshürden oder – aus Sicht der betreffenden Emittenten – die Kosten zu hoch. „Es liegt mir fern, das neue Segment schlechtzureden“, macht der Experte klar. „Aber ob man damit wirklich Zuspruch bei Privatanlegern findet, wage ich zu bezweifeln.“

Viele deutsche Mittelständler und Familienunternehmen scheuen immer noch den Gang an den Kapitalmarkt. Das überrascht nicht, denn sie müssen dabei so manche Hürde nehmen. Nun soll das neue Börsensegment “Scale” für Aktien und Anleihen Abhilfe schaffen. Die Frage ist aber, ob das gelingen kann.

Erfolgreich mit Anleihen

Bier von Karlsberg: Künftig wird es dieses nicht mehr bei Discountern geben.

Christian Weber muss sich darüber keine Gedanken machen. Sein Unternehmen, die Karlsberg GmbH, die im saarländischen Homburg beheimatet ist, hatte bereits 2012 eine Anleihe begeben. Und damit gute Erfahrungen gemacht. 30 Mio. Euro hatte Karlsberg über den Corporate Bond eingesammelt, um Wachstumsprojekte zu finanzieren. Anleger sollten in den Genuss eines Zinskupons von satten 7,375 Prozent kommen. „Wir haben nicht nur unsere Zahlungen aus dem Kupon immer bedient, sondern die Anleihe auch vorzeitig 2016 zurückbezahlt“, sagt Christian Weber, Generalbevollmächtigter der Karlsberg Brauerei KG Weber.

Im selben Jahr hat Karlsberg im Frankfurter Entry Standard einen zweiten Bond mit einer Laufzeit von fünf Jahren und einem Kupon von 5,25 Prozent platziert, der dem Unternehmen 40 Mio. Euro an Fremdkapital in die Kasse spülte. Seit dem 1. März 2017 notiert das Papier nun in Scale. Mit den strengen Zulassungskriterien zum neuen Qualitätssegment hatte Weber überhaupt keine Schwierigkeiten. Seine Traditionsbrauerei ist seit Jahrzehnten am Markt, schrieb 2016 einen Umsatz von rund 160 Mio. Euro und beschäftigt 310 Mitarbeiter.

Weber sieht allerdings ein anderes Problem. Seit den Ausfällen und Insolvenzen in den seit 2010 an allen deutschen Börsenplätzen geradezu euphorisch aufgebauten Segmenten für Mittelstandsanleihen werden entsprechende Bonds von Anlegern abgestraft. „Das ist sehr schade“, sagt der Firmenlenker. Schließlich seien Anleihen nicht nur ein Instrument, mit dem Unternehmen gerade in Zeiten niedriger Zinsen sehr gut Wachstumskapital einsammeln könnten. „Wenn man an den Kapitalmarkt geht, muss man sich auch Gedanken darüber machen, was Anleger eigentlich dazu veranlassen soll, in ein Unternehmen zu investieren“, erklärt der Karlsberg-Chef. Damit sei es notwendig, das eigene Standing in der Öffentlichkeit und gegebenenfalls die Strategie des Unternehmens zu hinterfragen. „Genau das bringt Unternehmer aber weiter“, sagt Weber.

Viele deutsche Mittelständler und Familienunternehmen scheuen immer noch den Gang an den Kapitalmarkt. Das überrascht nicht, denn sie müssen dabei so manche Hürde nehmen. Nun soll das neue Börsensegment “Scale” für Aktien und Anleihen Abhilfe schaffen. Die Frage ist aber, ob das gelingen kann.

Teure Bonds

Erhöhte Transparenzpflichten, wie Scale sie vorschreibt, bewertet er daher positiv. Doch auch Weber sieht, dass es für mittelständische Unternehmen teuer ist, einen Bond zu begeben. „Damit das Kosten-Nutzen-Verhältnis stimmt, sollten Mittelständler Anleihen im Wert von mindestens 20 Mio. Euro auflegen“, gibt Experte Nespethal zu bedenken. Dabei sollte der Verschuldungsfaktor im Vergleich zum EBITDA nicht höher liegen als vier. Damit scheiden Anleihen als Finanzierungsinstrument für viele Mittelständler von vornherein aus. „Daran wird auch Scale nichts ändern“, ist Nespethal überzeugt.

Capmarcon-Experte Grunow sieht es anders: „Damit das Anleihesegment in Scale zum Erfolg wird, kommt es ganz entscheidend darauf an, welche Capital Market Partner die Emissionen begleiten“, erklärt er. Es sei nicht schlimm, wenn dort auch riskantere Bonds mit hohen Kupons notieren würden. „Eine hohe Bonität ist nicht unbedingt notwendig, das ist zum Beispiel im US-High-Yield-Markt auch nicht anders“, sagt Grunow. Entscheidend sei aber, dass die Capital Market Partner eine gute Vorauswahl treffen und dies transparent kommunizieren. „Wenn man das professionalisieren würde, könnte sich das Anleihesegment langfristig schon positiv entwickeln“, überlegt er.

Am Abend des 27. März 2017 hat die Ibu-Tec Advanced Materials AG in Weimar ihren Gang aufs Parkett hinter sich. „Wir haben alle 1,2 Mio. Aktien platziert“, sagt Vorstand Ulrich Weitz. Eine Mio. Papiere aus der Kapitalerhöhung, 60.000 aus dem Besitz eines Minderheitsaltaktionärs und 150.000 als Mehrzuteilungsoption von Weitz selbst. Damit fließen dem Unternehmen 16,5 Mio. Euro zu. Ulrich Weitz kann sich entspannen am Abend dieses sonnigen Frühlingstages, an dem das erste Unternehmen einen Börsengang über Scale wagte.

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