Stärker als die Großen

Höhere Eigenkapitalquoten, schnellere Entscheidungswege und häufig ein stärkeres Gewinnwachstum. In vielen Bereichen sind Small Caps den Großen eine Nasenlänge voraus. Das war zuletzt auch an der Performance der Indizes abzulesen.

Stärkeres Gewinnwachstum

Andreas Strobl, Senior Portfoliomanager Aktien bei Berenberg

Die kleinen und mittelgroßen Unternehmen aus Deutschland halten oft weltweit führende Wettbewerbspositionen dank ihrer innovativen Produkte. Sie verfügen dabei häufig über hohe Markteintrittsbarrieren, was ihnen nicht nur profitable Margen, sondern auch ein stetiges Umsatz- und Gewinnwachstum ermöglicht. Die Gründerfamilie hat meist noch einen wichtigen Einfluss auf das operative Geschäft, was langfristigen Planungs- und Implementierungshorizont sowie einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber Großkonzernen darstellt. Entsprechend haben die börsennotierten kleineren und mittleren Unternehmen über die letzten Jahre durchschnittlich ein deutlich stärkeres Gewinnwachstum erzielt als Großunternehmen. Wir gehen davon aus, dass sich dieser Trend auch in der Zukunft fortsetzen wird. Zudem erscheint die Bewertung von Unternehmen aus dem MDAX, TecDAX und SDax im Vergleich zu DAX-Unternehmen im historischen Vergleich weiter attraktiv. Wir erwarten, dass sich die zuletzt bessere Wertentwicklung der Small und Mid Caps relativ zum breiteren Gesamtmarkt fortsetzen sollte. Auch potenzielle politische Risiken verändern nichts an der strukturellen Erfolgsstory des deutschen Mittelstands.

Unabhängiger von der Großwetterlage

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Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse, Baader Bank AG

Mittelständische deutsche Unternehmen profitieren von einer wieder Morgenluft witternden Weltkonjunktur. Ohnehin sind sie mit ihren Industriepatenten gegenüber Standardwerten krisenfester und unabhängiger von der politischen Großwetterlage. Das verleiht ihnen Übernahmephantasie. Insbesondere in der Digitalisierung ist Amerika sehr an einem transatlantischen Know-how-Transfer interessiert. Unabhängig davon: Wenn Mittelständler in den Standort Amerika investieren, kommen ihnen Steuersenkung und Deregulierung zugute, und sie umschiffen auch zumindest teilweise drohende Handelsschranken. Apropos Standort: Das neue Segment der Deutschen Börse „Scale“ ist als Schaufenster für kapitalsuchende kleine mittelständische Unternehmen ohne Zweifel sehr sinnvoll. Aber auf einem Bein kann man nicht stehen. Wann will die deutsche Politik endlich das Potenzial der Mittelständler mit einer wirklich freundlichen Industriepolitik heben? Während Deutschland noch grübelt, werden in Amerika schon harte Wirtschaftsfakten geschaffen.

Stock Picking entscheidend

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Christoph Schlienkamp, Analyst und Vorstand DVFA, Bankhaus Lampe

Kleinere und mittlere kapitalisierte Unternehmen gelten schon seit vielen Jahren an der Börse nicht als Mauerblümchen. Die Fähigkeit des Managements, schneller auf Veränderungen zu reagieren, und Bilanzen, die in der Vielzahl mit komfortableren Eigenkapitalquoten und einer im Vergleich zu größeren Gesellschaften geringeren Nettoverschuldung ausgestattet sind, sind ein klares Plus. Diese Kapitalstrukturen ermöglichen es zudem häufig, eine komfortable Dividende auszuschütten, und auch die Option auf Aktienrückkäufe ist häufig ein Treiber. In der Summe sind Small und Mid Caps aufgrund ihrer geringeren Komplexität auch leichter zu analysieren. Für den Investor ist es jedoch nicht immer sinnvoll, in der Breite des Marktes zu investieren, sondern das Stock Picking in den Vordergrund zu stellen und sich bei der Anlageentscheidung nicht von einem Index, sondern von den einzelnen Geschäftsmodellen und ihren Chancen leiten zu lassen. Das gilt auch für das neue Marktsegment Scale, das wir als Investoren und Verband begrüßen. Allerdings sollten die Anleger beachten, dass das zur Verfügung gestellte Research nicht den Grundsätzen für Finanzresearch (DGFR) der DVFA entspricht.

Autorenprofil

Tobias Schorr war von März 2013 bis Januar 2018 Chefredakteur der "Unternehmeredition". Davor war er für die Gruner + Jahr Wirtschaftsmedien im Ressort Geld als Redakteur tätig. Von 2003 bis 2007 arbeitete er zunächst als Redakteur, dann als Ressortleiter beim Mittelstandsmagazin "Markt und Mittelstand". Sein Handwerk lernte er an der Axel Springer Journalistenschule.

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