Sambonet Paderno Industrie S.p.A.

Italienisches Familienunternehmen kauft Rosenthal aus der Insolvenz

Die Firma Sambonet Paderno Industrie S.p.A., italienischer Marktführer für Design-Tisch- und Küchenaccessoires sowie Profi-Kochausstattungen, kauft die Rosenthal AG – die namhafteste deutsche Unternehmensgruppe im Bereich Porzellandesign und Tischaccessoires.

Die Firma Sambonet Paderno Industrie S.p.A., italienischer Marktführer für Design-Tisch- und Küchenaccessoires sowie Profi-Kochausstattungen, kauft die Rosenthal AG – die namhafteste deutsche Unternehmensgruppe im Bereich Porzellandesign und Tischaccessoires. Damit besitzt das italienische Familienunternehmen (Sambonet, Paderno und Arthur Krupp) die Markenrechte sowie die Produktionsanlagen für Porzellan und Haushaltswaren von Rosenthal, Thomas und Hutschenreuther in Selb und Speichersdorf. Die deutsche Belegschaft wird komplett übernommen. Sambonet Padernos Stärke liegt jetzt darin, sowohl den privaten als auch den B2B-Markt weltweit beherrschen zu können. Rosenthal, schon seit 1933 kein reines Familienunternehmen mehr, wird von einem italienischen Familienkonzern gerettet.

Auf Krisenunternehmen spezialisiert
Auch wenn sie augenblicklich rar gesät sind, es gibt sie noch: die guten Nachrichten aus der Wirtschaftswelt. Die Porzellanmarke Rosenthal bleibt bestehen, wird weiterhin in Deutschland ihren Ursprung haben. Selbst wenn sie nun den italienischen Brüdern Pierluigi und Franco Coppo gehört. Diese sind Eigentümer des Besteck- und Kochtopfherstellers Sambonet Paderno. Der größte Coup der Coppo-Brüder war zuvor der Kauf des abgewirtschafteten Besteckherstellers Sambonet im Jahr 1997. Das Unternehmen aus Norditalien hatte es mit seinen Kreationen zwar bis ins New Yorker Museum of Modern Art geschafft. Aber die Finanzen waren dem Unternehmen nach eineinhalb Jahrhunderten entglitten. Verspätete und falsche Lieferungen an Hotels und Restaurants hatten wichtige Großkunden vergrault. Bis die Coppo-Brüder zugriffen und so ihr Angebot von der Küche hin zum Besteck vergrößerten. Sie ordneten den Vertrieb neu und investierten mehrere Millionen Euro. Vor acht Jahren bauten sie eine moderne Produktionshalle für das vereinte Unternehmen. Es ist nicht das erste Mal, dass die Coppo-Brüder ein kriselndes Unternehmen wieder auf Kurs bringen. 1978 übernahmen sie als junge Männer zunächst das auf Klingen spezialisierte elterliche Unternehmen Officine Meccaniche Giovanni Coppo. Nur ein Jahr später kauften sie den insolventen Kochtopfhersteller Paderno, den sie zu einem Profi-Küchenausstatter ausbauten, der vom Suppentopf bis zur Parmesanreibe alles anbietet.

Faible für gutes Design
Beide Coppo-Brüder sollen ein Faible für gutes Design haben, weswegen die Rosenthal-Studiohäuser in den deutschen Metropolen erhalten bleiben und es auch weiterhin die von prominenten Künstlern entworfenen Design-Espressotassen sowie modernes Geschirr im schlichten Weiß geben wird. Die wichtigste Botschaft für die Rosenthal-Mitarbeiter und die Kunden ist, dass alle Standorte erhalten bleiben und dort auch investiert wird. Rund 19 Mio. EUR wollen die Italiener als Barmittel beisteuern. “Den Rest haben zwei italienische Banken, Banca Popolare di Novara und Unicredit, beigesteuert”, erläutert Pierluigi Coppo gegenüber der Unternehmeredition. “Jetzt steigen wir mit der Übernahme von Rosenthal zu einem wichtigen Player auf dem Weltmarkt auf”, freut er sich. Dank Rosenthal kann Sambonet Paderno in Zukunft seinen Kunden alles von der Bratpfanne über die Fischgabel bis zur Espressotasse anbieten.

Wiederbelebte Edelmarke
Bisher geht bei Sambonet Paderno die Strategie der italienischen Brüder auf. Trotz der Krise konnten die Coppos den Umsatz auch im vergangenen Jahr steigern, um 8% auf 67 Mio. EUR. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen lag bei 12 Mio. EUR. “Jetzt wollen wir auch Rosenthal wieder in die Gewinnzone bringen, um dann zu wachsen”, sagte Franco Coppo. “Wir haben auch bei uns die Produktion gegen den Trend in Italien gelassen, weil wir daran glauben”, erklärt er, “Made in Germany ist ein Mehrwert.” Auch Mitarbeiter und Manager in Deutschland müssen wohl größtenteils nicht um ihre Jobs fürchten, ihnen würden aber aus Italien klare Vorgaben gegeben. Wie aus dem Unternehmen zu hören ist, haben diese unter dem früheren Vorstandsvorsitzenden Ottmar Küsel gefehlt, der seit 1991 die von britischem Kapital dominierte Rosenthal AG geleitet hatte und keinen Weg aus der Krise finden konnte. Selbst die Übernahme des Erzrivalen Hutschenreuther brachte keinen dauerhaften Erfolg, obwohl Hutschenreuther mit Abstand der größte Player im globalen Premium-Markt für Porzellan ist. Trotzdem hat sich Rosenthals Umsatz mehr als halbiert, auf etwa 70 Mio. EUR. Ein Unternehmen kann einen Wertewandel – egal wie groß – nicht aufhalten.

Perfekte Ergänzung
Seit über 100 Jahren sind bei Rosenthal Formen im Programm, die immer noch nachbestellt werden können – Teile eines lebenslangen Services. Heute plant jedoch kaum jemand noch lebenslang. Man kauft lieber schnell mal 24 Ikea-Teller zum Preis eines Rosenthals. Dass das Edle bei Rosenthal nicht ausstirbt, dafür könnte jetzt die weltweite Gastro- und Hotellerie-Industrie und ihr Bedarf an Hochwertigem sorgen. Coppos internationale Vertriebspower für Gastroprodukte könnte umgekehrt Rosenthal beflügeln. Die Marken Sambonet, Paderno, Arthur Krupp, Rosenthal, Thomas und Hutschenreuther, die jetzt alle zu Sambonet Paderno Industrie S.p.A. gehören, stehen dafür. “Die Unternehmen passen hervorragend zusammen”, sagt Pierluigi Coppo. “Geschirr von Rosenthal und Küchenartikel von Sambonet ergänzen sich im Einzelhandel wie in der Gastronomie.” Das Unternehmen aus Selb, das Anfang Januar einen Insolvenzantrag gestellt hatte, verfügt in Deutschland über das Vertriebsnetz, auf das Coppo hierzulande für seine Töpfe und Bestecke setzt. Doch das ist noch viel Arbeit. “Unser Ziel ist eine optimale Ausnutzung von Synergien zwischen Sambonet Paderno und Rosenthal sowie von möglichen Ersparnissen”, sagt Pierluigi Coppo. Dass er sich nur mit seinem Bruder verständigen muss, wenn wichtige Veränderungen anstehen, werde auch Rosenthal beflügeln: “Die Entscheidungskette ist kürzer, und der Antrieb in einem Familienunternehmen ist einfach stärker. Und die starke Marke Rosenthal wird uns helfen.”

Familie Rosenthal längst auf anderen Wegen
Die hatte der 2001 verstorbene Philip Rosenthal groß gemacht. Er war eine richtungweisende Persönlichkeit der deutschen Nachkriegsgeschichte. Rosenthal baute die von seinem Vater gegründete und weitgehend unbekannte Porzellanmanufaktur zu einer Weltmarke aus. Nach dem Krieg übernimmt Philip Rosenthal 10% der Firma und den Vorstandsvorsitz. Biederes Porzellangeschirr läuft im Wirtschaftswunderland gut, und Rosenthal entstaubt erfolgreich das Sortiment. Philanthrop Rosenthal lädt Künstler wie Roy Lichtenstein und Andy Warhol ein, Tassen, Kannen und Vasen neu zu gestalten. Das Traditionsunternehmen und das fränkische Örtchen Selb erleben ihre Blütezeit. Doch der geschäftliche Erfolg reicht ihm nicht – der Unternehmer tritt in die Politik ein, wechselt in den Aufsichtsrat der Rosenthal AG. 1969 lässt sich der Vertraute des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt für die SPD in den Bundestag wählen, ein Jahr später wird er Staatssekretär im Wirtschaftsministerium. Nach nur einem Jahr wirft er nach Differenzen mit Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller das Handtuch. Sein Bundestagsmandat behält er aber bis 1980, in der SPD pflegt er seine Rolle als Querdenker. Seinem Unternehmen half das wenig. Bereits in den 80er Jahren gingen die Umsätze zurück. 1997 übernimmt die britisch-irische Waterford Wedgwood die Rosenthal AG. Philip Rosenthal steigt aus dem Unternehmen ganz aus, wird Präsident des Rates für Formgebung, Vorsitzender des Bauhaus-Archivs in Berlin sowie Vorsitzender des Verbandes der Keramischen Industrie. Die Bremer Hochsc
hule für Künste beruft 1988 Rosenthal zum Professor für Design. 2001 stirbt er. Erst mit den Gebrüdern Coppo ist Rosenthal erneut ein Familienunternehmen geworden.

Thomas Grether
redaktion@unternehmeredition.de


Kurzprofil: Sambonet Paderno Industrie S.p.A.

Gründungsjahr: 1856 in Vercelli/Italien
Branche: Konsumgüter
Unternehmenssitz: Orfengo
Mitarbeiter: 1.360
Umsatz 2008: 68 Mio. EUR
Internet: www.paderno.it

Autorenprofil

Thomas Grether ist Gastautor.

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