Nicht jede Mode mitmachen

Vielen mittelständischen Modeherstellern und Textilhändlern geht es schlecht. Die Gründe dafür unterscheiden sich, doch einen gemeinsamen Konkurrenten haben alle: internationale Ketten, die den Markt mit Billigware überschwemmen. Ein Krisenbericht aus der deutschen Modebranche.

Wettbewerbsvorteile internationaler Ketten

Diese Labels sind sogenannte vertikale Anbieter, weil sie das gesamte Angebot allein steuern: Sie kümmern sich um das Design, lassen die Mode herstellen und verkaufen sie in eigenen Stores zu Discountpreisen. Die Größe und Struktur dieser Unternehmen bieten ihnen zwei entscheidende Wettbewerbsvorteile. Erstens: Wer alles selbst erledigt, kann schnell auf neue Trends eingehen. Neue Ware kann unmittelbar produziert und gezielt im Laden platziert werden. Zweitens: Ein Allrounder muss sich die Marge weder mit einem Händler noch mit einem Hersteller teilen.

In den vergangenen Jahren haben einige deutsche Hersteller reagiert und im großen Stil eigene Läden aufgemacht. Allein Gerry Weber eröffnete mehrere Hundert Geschäfte und eigene Verkaufsflächen in Kaufhäusern, bis es Anfang 2016 weltweit mehr als 1.200 waren. Das waren zu viele, wie sich herausstellte. Seit einem Jahr schließt das börsennotierte Unternehmen wieder Filialen, gut hundert waren es bislang, drei Viertel davon in Deutschland. Auch Tom Tailor und Esprit machen unprofitable Geschäfte dicht, die sie einige Jahre vorher noch neu eröffnet hatten.

In einer eigenen Studie aus dem vergangenen Jahr zum Umbruch der Mode- und Lifestylebranche spricht Unternehmensberater Prechtl von einem „Vertikalisierungs-Hype“ bei einigen deutschen Labels. Es sei den Produzenten oftmals nicht klar gewesen, wie viele Kunden man ins Geschäft locken müsste, um die horrenden Innenstadtmieten und Personalkosten zu decken. Wenn ein Hersteller eigene Filialen eröffnet, braucht er dafür spezielles Know-how, das im Unternehmen bis dahin nicht vorhanden war. Es geht darum, wie man die Kleidung präsentiert und ob die Kollektion einen ganzen Laden ausfüllt. Am wichtigsten ist aber die Frage, ob eine einzige Marke in Zeiten schwindender Markentreue genügend Menschen anzieht: „Nicht jede Marke trägt eigene Läden“, resümiert Prechtl.

Auch Modehändler leiden

Die Modekaufhäuser dürfte diese Entwicklung eigentlich nicht schmerzen. Denn in ihren Filialen hängen die Waren unterschiedlicher Hersteller und Marken an den Kleiderstangen. Dennoch durchleben auch hier einige Anbieter harte Zeiten. Im Frühjahr 2016 meldete der Herrenausstatter Polhand Insolvenz an, Sinn-Leffers ereilte ein halbes Jahr später das gleiche Schicksal. Das Modehaus Wöhrl gab im vergangenen Jahr bekannt, dass ihm die Zahlungsunfähigkeit droht. Die Hauptversammlung des Nürnberger Traditionsunternehmens beschloss daraufhin ein Schutzschirmverfahren. Filialen wurden geschlossen. Christian Greiner, der Enkel des Firmengründers, ist zum Mai dieses Jahres als neuer Investor eingestiegen.

Die Probleme der sogenannten Multibrands ähneln jenen der Hersteller. Die Vertikalen greifen die klassischen Anbieter mit Niedrigstpreisen und ständig neuen Rabattaktionen an. Der Trend bei den Labels, eigene Shops zu eröffnen, hat für die Modehäuser zur Konsequenz, dass aus Lieferanten plötzlich Konkurrenten im stationären Handel werden. Zudem suchen viele Kunden schon seit Jahren vermehrt im Internet nach einem neuen Outfit.

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